Elena Becker MA

Quellen zu : (Heinrich)de Hegling (Raum Kichdorf)

Anhand des teils original lateinisch verfaßten Urkundentextes, der Quellen aus den „Monumenta Boica“ zusammen gesetzt ist, kann ein zeitlicher und lokaler Bezug der Familie „de Hegling“ oder „von Hag“ (s. Familienforschung 1-3) zum Herkunftsort der „Edlen von Kirchdorf“ hergestellt werden, die als Ministerialenadel der Grafschaft Neuburg- Falkenstein benannt werden. Darüberhinaus steht der Ort „Kirchdorf“ (Inn) in einer genealogischen Verbindung mit den Grafen Frauenberger von Hag/ Haag, die somit nicht nur in einem namensähnlichen Verhältnis (de Hegling, von Hag) stehen dürften, sondern wohl eher in einem verwandtschaftlichen d.h. derivierende „Filiationlinien“ darstellen Die bei Schenkungs- und Stiftungsakten „notariell“ fungierenden (sog.) Traditionszeugen (lat. tradere, übergeben), die in der „weiteren“ (Namens-)Verwandtschaft von Kirchdorf dokumentiert sind, heißen außerdem u.a. „von Egilingen“ oder tragen -nur- den „Beinamen“ (Kichdorfensis), dürften aber ebenfalls zu der urkundlich belegten (Groß-)familie zählen, die eine für die Entstehungsgeschichte des lokalen („Struktur“-)raumes ab dem 10./11. Jahrhundert determinale Rolle spielt und die -initiale- Praxis bezeugt, die darin bestand, eigene Güter an -vorzugsweise- Klöster v.a. dem Kloster Tegernsee zu „verschenken“ oder bei solchen Vorgängen als beglaubigende „Zeugen“ hinzu gezogen zu werden. Der fragliche Hintergrund dieser Schenkungsakte könnte in der -teilweisen- Auswanderung der Familie (de Hegling, von Hag) nach Österreich liegen und oder mit allgemein „Leistungen“ bezeichneten Transaktionen. Die „Identität(en)“ der -gleichzeitig- Friedrich heißenden Personen, d.h. Friedrich de Hegling (von Hag) und des gleichnamigen „Pfalzgrafen“ ist im Lateinischen evtl. doppeldeutig. aus: Oberbayerisches Archiv für vaterl. Geschichte, Band 7

Seite 240 - 244

[...]gelegen, der sich an beiden Seiten der Isar, von deren Ursprung bis in die Nähe von Landau, und südlich bis zum Vilsgau, Isengau, Chiemgau, Ober- und Unterinnthal erstreckt hatte und in mehrere Untergaue abgetheilt war, war ein Bestandtheil der Grafschaft Neuburg-Falkenstein, als welcher es im Falkensteinischen Coder des Klosters Weyarn vom Jahre 1180 mit folgenden Leistungen vorkommt: „De Chirchdorf ll, porci unus maturus et alius minor, modius leguminis, fabe et pise, modius raparum, modius olerum, anserum duo, pulli VI., cutis ad emptionem olei et de decimatione ibidem lll. porci dantur et C ova!). Es hatte einen eigenen Adel, der sich nach dem Orte nannte und Ministerial von Neuburg - Falkenstein war. Um das Jahr 1107 erscheint als Zeuge Dipold von Kirchdorf in einer Schenkungsurkunde, durch welche Wernher von Wachering dem Closter Tegernsee unter dem Abte Aribo eine Villa in Willing schenkte, M. B. VI. p. 62. In codice traditionum monast. Tegernseensis erscheint zwischen 1017 – 1040 als Zeuge Adalpertus in vico Egilingen Chirichdorf dicto habitans; Mon. Boic. pag. 20. VI. pag. 66 und 69 erscheinen als Zeugen Heinrich und pag. 68 Liebhart von Egilingen, wahrscheinlich Adelberts Brüder. Zwischen 1164 – 1200 schenkte Friederich von Hegling ein Gut, das er zu Kirchdorf eigenthümlich besaß, durch die Hand Rudolphs von Waldeck in Gegenwart des Pfalzgrafen (Herzog ?] Friedrich, auf Bitten seiner Gemahlin Richardis und seines Sohnes Heinrich, dem Kloster Tegernsee.“ Noscant omnes, quod Fridericus de Hegling delegavit, dum adhuc viveret, predium quod habuit in Chirchdorf, in manu Domini Roudolf de Waldekke delegandum: super altare sancti Dionysii Sceflarn, quod et ipse1 fecit in presentia Palatini Comitis Friderici2 rogatu uxoris Friderici Rikarde et filii ejus Hainrici. „Zeuge dieser Schenkung war Gottschalk von Höhenrain.*) Ungefähr um das Jahr 1184 schenkte Heinrich von Hegling, Sohn des ebengenannten Friedrichs, eine Curie zu Kirchdorf durch die Hände Rudolphs von Waldeck dem Kloster

1) Mon. Boic. Vll. paF. 436. 2) Mon. Boie. Vlll. pag. 409, 3) Mon. Boic. pag. 422, /

1254 bestätigen Perchtold von Vagen und Heinrich der Kirchdorfer die Aechtheit einer Urkunde, mit welcher der Ritter Konrad von Baierbrunn allen Erbansprüchen auf die von seinem Vetter Heinrich von Vagen dem Kloster Beyharting geschenkte Curie in Schönau entsagte.*) Im nämlichen Jahre bestätigte auch Conrad, Heinrich von Vagens Sohn, diese Schenkung, und unter den Zeugen stehen Rudiger, Volkspriester in Götting, Heinrich, Volkspriester in Hegling, Ulrich von Vagen und Conrad von Kirchdorf*) In einer Urkunde vom Jahre 1254 steht als Zeuge Eberhard von Hegling mit dem Beinamen Chirchdorfensis.") Von diesem Jahre an sind keine weitern Nachrichten von den Edlen v. Kirchdorf vorhanden.

3) Mon. Boic. Vlll. p. 422.
4) Mon. Boic. , p. 468. -
5) Mon. B. V. p. 466.
6) Mon. B V. p. 466.
7) Mon. B, V. p. 467,
8) Mon. B. I. p. 390.

Vl. - 16

9) Mon. B V. p. 486. 10) Freib. Regesta VI. p. 53. 11) Beilage Nro I. 12) Beilage Nro. II.

- 13) Aus einem Inventar von 1597 über die im Archive zu Höhenrain vorhandenen Urkunden. Die Urkunde ging späterhin verloren.

14) Aus einem Inventar von 1597 über die im Archive zu Höhenrain vorhandenen Urkunden. Die Urkunde ging späterhin verloren.

Elena Becker MA

Exkurs: der „doppelte“ Heinrich oder: (nicht) nur Historisches

Ein philosophischer Kommentar

Bei meinen -privaten- Recherchen zum Zweck einer „Familienchronik“ fand ich im Internet auf der Seite der Stadt (S.) einen nicht datierten, aber offenbar nach dem spekulativen Denk- und verschraubten Sprachstil zu urteilen, in den ungefähren Zeitraum des 19. Jahrhunderts fallenden Textauszug, als dessen Autor ein -in einer Person- Dr. Stein, Justizrat und Bibliothekar der Stadt S. genannt wird. Dieser wiederum beruft sich auf eine weitere, ältere Darstellung aus dem 18. Jahrhundert.. Der Text kann als ein Paradefall für die „postmoderne“ Tendenz gelesen werden, in der einzelne Städte das ambitionierte Bestreben zeigen, sich durch eine eigene „partialisierte“ Historie zu positionieren, die einen Exklusivitätsanspruch auf historische Personen vorwiegend aus einem -ehemals- lokal ansässigen Adel nebst deren Insignien (Wappen etc.) geltend macht und -als Kulturerbe- reklamiert.

Offensichtlich kann es dabei -und dies schon in den ein- bis zweihundert Jahren zurückliegend, geschehen, daß dabei ein eigenwilliger „romantisierender“ Effekt eintritt, nämlich in der identifikatorischen Verdopplung von Persönlichkeiten, die zu archetypischen Signifikanten einer regionalistischen Strukturauflösung definiert werden.

Diese besitzt in diesem Fall den Tenor, nicht bayerisch, sondern fränkisch sind wir und insbesondere unser Markgraf Heinrich (Hezilo), der nach der chronologischen Argumentation des „D. Stein“ -nicht- mit dem namensgleichen Herzog „bayerischen“ Heinrich Hezilo zu identifizieren ist, aber ebenso von einem – ebenfalls mit dem Namen „Berthold“ bezeichneten Vater stammen soll.

Beide „Reihen“ sollen außerdem gleichzeitig gelebt haben, also ca. Ende des 10./ 11. Jahrhunderts. Eine -etwaige- Identität, die von anderen Chronisten behauptet wird, weist der städtische Verfasser kategorisch und „weit“ von sich :

„Angesichts so vieler und bündiger Zeugnisse der fränkischen Abkunft Bertholds und Luitpolds kann es nur auf deren Mißachtung oder Unkenntnis beruhen, wenn bayerische Spezialhistoriker früherer und neuerer Zeit diese Brüder in den Stammbaum des Hauses Wittelsbach einsetzen oder, wie es neuerdings Riezler getan hat, einem unbestimmten nordgauischen Geschlechte zuweisen wollen. Über der älteren Versuche, welche den Berthold zu einem Enkel des Herzogs Arnulfs des Bösen von Bayern machen wollten, gänzlichen Ungrund hat sich schon Schöpff in seiner Nordgau-Ostfränkischen Staatsgeschichte Th. III. S. 86 ausgesprochen, und die Grundlosigkeit eines ähnlichen neueren Versuches von Schmitz in einer Jubiläumsschrift zur siebenhundertjährigen Herrschaftsfeier des Hauses Wittelsbach in Bayern habe ich in meiner Geschichte Frankens Bd. II. S. 301 dargelegt.“

Man kann aber im folgenden die beiden Personen, die Heinrich Hezilo heißen nur anhand der Betitelung als Markgraf oder (bayerischer) Herzog unterscheiden, wobei dem „rechtskundigen“ Verfasser bei dem (Gegen-)Versuch, die -fränkische- Identität des markgräflichen Heinrichs durch -private- Eigentumsverhältnisse zu erhärten, der -hinsichtlich der späteren lokalgeschichtlichen Identifizierung- eventuelle Lapsus unterläuft, daß diese davon abstammende Familienseite nicht mehr in Franken, sondern nach Österreich (!) ausgewandert sei : „dass bei Veräußerung eines Grundstückes im Jahre 1132 die Söhne des Markgrafen Leopold III. von Österreich nach bayerischer Art als bei den Ohren zugezogene Zeugen dienten. Jenes Grundstück lag auf bayerischem Boden, sowohl der Veräußerer, als auch der Empfänger waren Bayern, es war also gar nicht die Wahl, ob der Veräußerungsakt auch nach einer andern Rechtsform, als der bayerischen vorzunehmen sei. Überdies hatte 1132 die österreichische Linie des Hauses schon längst ihren Gesamtbesitz in Franken in die Hand Kaiser Heinrichs des Heiligen aufgegeben, war dort besitzlos und nur noch in Österreich eingesessen.“

Eine mehrfache, auf ein und dieselbe Person zutreffende Trägerschaft eines (Funktions-)Titels (Graf, Markgraf) muß der Autor aber bei dem Vater des „fränkischen“ Markgrafen (Berthold) einräumen, der historisch -tatsächlich- nicht mit dem „anerkannten“ Herzog von Bayern identisch ist, diesen Titel jedoch kurzzeitig -als „Gegenherzog“- für sich forderte und auch (z.T.) als Herzog von Österreich (Kärnthen) in Erscheinung trat.: „973 wird in der Schenkungsurkunde der Königsstadt Bamberg durch Kaiser Otto II. an Herzog Heinrich von Bayern, Graf Berthold ausdrücklich als Gaugraf im Volkfelde bezeichnet, indem es dort heißt: Papinbere in comitatu Pertholdi comitis Voleveld nunenpato. 975 wird von der von jeher mit dem bayerischen Nordgau verbundenen Mark gegen Böhmen, die zwischen der Naab und dem Böhmerwalde lag, Berthold auch als Markgraf bezeichnet und zugleich(!) als Graf aus dem östlichen Franken.“

In den darauf folgenden Passagen, in denen der Chronist sich über einen (!) Berthold äußert, ist praktisch ein verifizierendes Beispiel für ein Phänomen geliefert, für dass der „Strukturalist“ G. Deleuze („Der Faden ist gerissen“) überaus glücklich gewesen wäre: der „überschüssige“ Signifikant (G. Deleuze) des oppositionellen Herzog Heinrich Hezilo „wechselt“ in die Vaterreihe des „Berthold“ und tritt als „Gegner“ des -legitimierten bayerischen- Herzogs auf: „Thietmar erzählt, dass Berthold dem Kaiser Otto II. Vorhalt darüber gemacht habe, dass er einer verhältnismäßig geringen Ursache wegen einen so mächtigen und angesehenen Reichsfürsten, wie den Grafen Gero, habe hinrichten lassen, dass er als Markgraf im Nordgau im kaiserlichen Interesse dem Herzoge von Bayern gegenüber nicht wie ein Vasall, sondern wie ein Gegner aufgetreten sei“. Das sofern historisch begründbare „neue“ Konkurenzverhältnis zwischen dem Vater Berthold und dem Herzog Bayerns (Heinrich) ist außerdem -formallogisch- durch ein (sog.) „Zitattilgunggsschema“ (W. v.O.Quine) zu erklären, das die Tautologie von Herzog Heinrich (Hezilo) und dem Markgrafen (Heinrich, Berthold) voraussetzt. Eine nicht bestehende Identität der Personenbeschreibungen von dem „bayerischen“ Sohn (Henricus minor !) eines -bayerischen- Berthold und seines „Namensvetters“ aus der fränkischen Reihe, Heinrich, dessen Namen infolge einer Diminutivregel(!) zur „Koseform“ Hezilo (1) abgewandelt worden sei, ist nicht aufgrund derer eindeutigen genealogischen Abkunft zu ermitteln, die voneinander eher unklar abzugrenzen ist, da sie nur die eine Reihe (des „fränkischen Hezilo) aufzeigt und die andere bzw. bayerische(?) ausfällt, kann nicht syllogistisch, sondern allenfalls logizistisch und aufgrund einer These behauptet werden. Logisch ist G. Freges Schema „Morgenstern“ bzw. „Abendstern“ erfüllt, die trotz Namensverschiedenheiten dasselbe Objekt bezeichnen.

Der -tautologische- Referenzbezug „muß“ deshalb bei dem Chronisten Dr. Stein um einen -fraternalen- Verweis auf einen (fränkischen!) „Luitpold“ erweitert(!) werden, der ebenso einen Namensvetter in der bayerischen Linie besitzt in dem Sohn des Herzogs Arnulf, den der Chronist als (Groß-)vater des -fränkischen- Luitpold aber ja partout ausschließen will(!) :“Die fränkische Herkunft der Brüder Berthold und Luitpold ist durch viele Urkunden und Schriftsteller bezeugt. Solche Zeugnisse besitzen wir sowohl mit Bezug auf Berthold, seinen Sohn Heinrich, der gewöhnlich mit dem Diminutiv- oder Kosenamen Hezilo genannt wird, und dessen Sohn Otto, Herzog von Schwaben, als auch mit Bezug auf Bertholds Bruder Luitpold und dessen Sohn Ernst, der auch Herzog von Schwaben war.“

Unter der -formallogischen- Annahme, daß diese mehrfachen Personennamen weder einem zueinander parallelen Universum von poietisch erzeugten „Entitäten“(v.O. Quine) entsprungen sind, sie also reine „topologisch“ identifizierte Phantasmen (G. Deleuze) sind, erfüllen sie offenbar einen -M. Foucaultschen- Raum von Ähnlichkeiten, die allesamt „als wahr behandelt“ (R. Rorty) werden müssen, „ohne daß man sich um die [ernsthaft] Frage kümmert, ob es ein metaphysisches Objekt gibt, mit dem das Resultat dieser Diskussion übereinstimmen könnte.“

(Wahrheit und Fortschritt. S. 446). Allein der Weg des „ironischen Theoretisierens“ (Rorty, ebd.) ist hier (noch) offen! E.B.

(1) in böhmischen Quellen lautet der Beiname (Heinrich) Hezilos -lautverwandelt-: "Gozila"(!) Es kann sich daher nicht um eine Koseform von Heinrich handeln, sondern wahrscheinlich einen Herkunftsnamen