Elena Becker MA

Problemsituationen oder: konstellative Fragen

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Trotz mehrerer gerichtlicher Niederlagen befindet sich der US- amerikanische Ex-Präsident D. Trump bei den -parteiinternen- Vorwahlen auf „Erfolgskurs“(!).

Nachdem seine republikanische Mitbewerberin N. Haley endgültig aufgab, steht seiner Präsidentschaftskandidatur nichts mehr im Weg.

Der amtierende Präsident Joe Biden (Demokraten) wirbt nun um die Unterstützer Haleys.

In seiner alljährlichen Rede zur „Lage der Nation“ rechtfertigte Biden u.a. seine Haushalts-Politik sowie seine Position gegenüber dem russischen Präsidenten Putin.

Der französische Präsident Macron schloß mit „Moldau“ ein Verteidigungsbündnis und traf mit Tschechien eine Vereinbarung, die Ukraine mit Munition aus externen Quellen zu beliefern.

Ein Antrag zur Belieferung der Ukraine mit (sog.) „Taurus“- Flugkörpern wurde von der „CDU“ erneut im Bundestag eingebracht. In einer Umfrage sprachen sich 61% der Befragten jedoch eindeutig dagegen aus.

Eine Konsequenz der (sog.) „Komplexitätssteigerung“(N. Luhmann)1 moderner -politischer- Systeme ist, daß eine (sog.) „Öffentlichkeit“, die sich sporadisch in „Meinungsumfragen“, „Demonstrationen“ u.a. artikuliert, nur „peripherisch“(ebd. S. 299) oder heterarchisch zur -strukturdifferenzierten- Ebene der politischen „Organisationen“(ebd. S. 255) in Erscheinung treten kann.

Es gibt, so hat Michel Foucault in „Archäologie des Wissens“ ausdrücklich hervorgehoben, keinen „idealen Diskurs“(Foucault, S. 103) oder -Ernst Bloch („Subjekt-Objekt“)- reines „Denken“2 wie etwa in einem mathematischen, geometrischen oder juristischen(!) Formalismus, das innerhalb einer Organisationsstruktur, die durch eine „Zentrum/Peripherie“-Differenzierung (Luhmann, S.255) charakterisiert ist, als vor- oder höher rangig einzustufen wäre.

Auch die „Archäologie des Wissens“, in der sich Michel Foucault zu einem -strukturalen- „Positivismus“ bekannte, gelangt in der Analyse wissenschaftlicher Formationen sowie „nicht-diskursiver“ Praktiken (Foucault, S. 101) zu einer vergleichbaren Einsicht:

“Ebenso wie man die Formation der Gegenstände weder auf die Wörter noch auf die Sachen, die der Äußerungen weder auf die reine Form der Erkenntnis noch auf das psychologische Subjekt, die der Begriffe weder auf die Struktur der Idealität noch auf die Abfolge der Ideen beziehen durfte, darf man die Formation der theoretischen(!) Auswahl nicht auf ein fundamentales Vorhaben, noch auf das sekundäre(!) Spiel der Meinungen beziehen [reduzieren]“.(M. Foucault. Archäologie des Wissens. S. 103)

Historisch betrachtet ist die -zunehmende- „Komplexität“ und -struktural- zugrunde liegende „Zentrum-Peripherie-Form“(Luhmann, S. 249) das Resultat einer tiefgreifenden „Umwälzung“(G. Deleuze. Der Faden)3 in der (sog.) „Ordnung der Zeichen“(ebd.) oder schlicht, mit Niklas Luhmann:“konstitutionelle(n) Unterscheidung von Legislative und Exekutive“(Luhmann, S. 249), also von juristischer und politischer Entscheidungssphäre und jeweiliger Instanz.

Damit ist schon angedeutet, daß die (sog.) Gerichtsbarkeit, die ab dem 12. Jahrhundert bis zur Einführung des „konstitutionellen“ Staats als Recht des Königs4 interpretiert und so im „Zeichen“(G. Deleuze) der „Souveränität“ gedeutet wurde, allmählich -neben- diese und andere „Positivitäten“(Foucault) trat, die eigene -Arten- der „Analyse“, der diskursiven „Optionen“(Foucault. Archäologie, S.102) und ihrer „Diskursobjekte“(ebd.) u.a. in der -neuen- Ökonomie und der „Naturgeschichte“ ausbildeten.

Es kommt -nicht nur in den „wissenschaftlichen“ Systemen- quasi einer Explosion von Formationen gleich, die jeweils eine, Foucault:

„(mögliche) Position des Verlangens im Verhältnis zum [politischen] Diskurs“(Foucault, ebd. S. 100) beziehen, ohne einen „allgemeinen Diskurs“(ebd.) zu formieren.

Diese kann, wie Foucault veranschaulicht,

„in der Tat der Ort für gaukelhafte(sic) Inszenierung, Element der Symbolisierung, Form des Verbots, Instrument der (abgeleiteten) Befriedigung sein“(Foucault, Archäologie S. 100), also in einer -politisch relevanten- „Beziehung“(ebd.) zum -Foucault- „Verlangen“(ebd.) und damit verbundenen „Position(en)“(ebd.) und -“Strategie(n)“(ebd. S. 101) -der „Wahl“(ebd.) stehen.

Vordergründig betrifft die -Analyse- dieser sich gleichzeitig entfaltenden „Strategien“(ebd.) nur die -Unterschiedlichkeiten (Foucault)- eines historisch rekonstruierten „ökonomischen Diskurses“(ebd. S. 101) wie demjenigen des 17. und 18. Jahrhunderts und ihren -theoretischen- Repräsentanten, Foucault:

„Zum Beispiel wird die Analyse der Reichtümer im 17. und 18. Jahrhundert durch das System charakterisiert, das gleichzeitig den Merkantilismus von Colbert und den `Neomerkantilismus´ von Contillon, die Strategie von Law und die von Paris-Duverny, die physiokratische Option(sic) und die utilitaristische Option hat bilden können.“(M. Foucault.ebd. S.100)

Allgemeiner:

“Und dieses System wird man definiert haben, wenn man beschreiben kann, wie die Bruchpunkte des ökonomischen Diskurses sich voneinander ableiten, sich bestimmen und sich implizieren (wie sich von einer Entscheidung anläßlich des Wertbegriffs ein Wahlpunkt anläßlich der Preise ableitet)“(ebd.)

Dabei hängen aber zudem die jeweiligen „Auswahlentscheidungen“(ebd.) auch von einer -präformativen- „allgemeinen Konstellation“(ebd.) ab, die eine -allgemeine- „Ordnung“(ebd.) der verschiedenen „Analysen“ ergab, wie diese -Foucault- „Wahlvorgänge“(ebd.) mit der -historischen- „Funktion“(ebd.) des -ökonomischen- „Diskurses“ in Verbindung stehen.

So etwa im -Zeichen- des „Kapitalismus“(ebd.), in dem der -ökonomische- „Diskurs“ das präferentielle (Streit-)“Objekt“(ebd.) der „Bourgeoisie“(ebd.) repräsentierte und eine determinale „Rolle“(ebd.) bei der , Foucault:“Verwirklichung der [bürgerlichen] Interessen und der Wünsche sprechen“(ebd.) könnte.

Damit werden die Konturen einer -intern- verschiedenartigen, politischen -Theorie- des „Liberalismus“ erkennbar, der, wie Herbert Marcuse in „Kultur und Gesellschaft“ dokumentierte, den geschichtlichen (Austragungs-)“Ort“5 angibt, an dem sich -von seinem induktiven „Gegenpol“(ebd.) ausgehend- ein, wie es Marcuse nannte: „heroisch-völkische(r) Realismus“(ebd.) ansiedeln konnte.

Dieser nahm unter seinem damaligen Propagenten (Moeller) den „Liberalismus“ zum Angriffsziel seiner Polemik, die sich programmatisch gegen das -wirtschaftlich „ruinöse“- Erfolgsmodell des Liberalismus richtete, der auch in seiner selbst entfalteten, etablierten Form vor das dilemmatische „Problem“(D. Bell)6 des -Gegensatzes- von „Freiheit“(Bell, ebd.) und „(vs.) Gleichheit“(ebd.) stellte.

Solches von der Gegenseite als -diffuse- „Weltanschaung“(Marcuse, S. 21) attackierte -prinzipielle- Paradox verdeckt aber das eigentliche „(stabile) Zentrum“(Marcuse, S.22), das die -Sicherheit und Garantie- des „Privateigentums“(ebd.) zum- objektiven- Gegenstand politischer Forderungen wählt und damit an die Politik adressiert.

Damit ist die -Forderung- nach einer „mächtigen Nation“(Marcuse, S. 22), die dem Trump´schen Wahlslogan („Make Amerika great again“) gerade wieder zum Leitsatz dient, ebenso vereinbar wie -im Gegensatz dazu- die Forderung nach -nationaler- Isolation und reprivatisierendem Rückzug aus dem -internationalen- Engagement.

Die im „klassischen Liberalismus“(Bell, S. 297) mit dem Freiheitspostulat verbundene Forderung nach „Gleichheit“(ebd.) hingegen, intendierte, wie D. Bell darlegte, die -formale- Gleichheit vor dem „Gesetz“(ebd.), explizit aber nicht hinsichtlich -individueller- Fähigkeiten und Unterschiede.

Als „alles beherrschender Wert“(ebd.) galt dem Liberalismus, so Bell, die

„Reduktion des Regierungszwangs und Herrschaft(sic) des freien Handels“(ebd.).

Eine besondere gesellschaftsinterne „Vermittler“-Rolle bei der Verwirklichung dieser -liberalen- Zielsetzungen spielen sich korporierende „vermittelnde Zwischengruppen“(Bell, S. 296) einschließlich ihrer unterstützenden Mitglieder wie u.a. „Berufsverbnde“(ebd.), die -zwischen- „dem unkontrollierten Egoismus“(ebd.) und einer -Daniel Bell- „bedrohlichen Staatsgewalt“(ebd.) ein breites gruppenspezifisches Spektrum ausbilden.

Im einzelnen zählt Daniel Bell hierzu:

“(Umfang und Vielfalt solcher Gruppen ist erstaunlich). Dazu gehören funktionale Wirtschaftsgruppen (Unternehmer, Arbeiter, Erfinder;sic.), symbolische Statusgruppen (religiöse, nationale,..), sozial benachteiligte Gruppen (Arme, Alte, Körperbehinderte), kulturell sich äußernde Gruppen (Frauen, Jugendliche, Homosexuelle), Gruppen für Bürgerbelange (Bürgerrechtsorganisationen, Konsumenten und Umweltgruppen), Gruppen mit ökonomischen Sonderzielen (Steuerzahlverbände, Veteranenverbände), Kulturgruppen mit Sonderzielen (Universitäten, wissenschaftliche und akademische Verbände, Kunstvereine), funktional politische Vereinigungen (staatliche Gremien, städtische und kommunale Organisationen) und mindestens 57(sic) weitere Gruppenformen.“(D. Bell. Die Zukunft der westlichen Welt., S. 296)

Das -zahlenmäßig unbegrenzte- Konvolut an Interessengruppen und, ohne dabei „Gewerkschaften“ und -politische- „Parteien“ auch nur zu erwähnen, sonstigen „ungehemmten Antragsstellern“(Bell, ebd.) manövriert, woran Bell keinen Zweifel besitzt, das -demokratische- System an den Rand seiner Kapazitätsgrenzen.

Dennoch ist Bell überzeugt:

“Aufgrund der Vielfalt solcher Gruppen erscheint es zweifelhaft, ob heutzutage eine Einzelfrage eine gesamte Gesellschaft zu polarisieren vermöchte. Die besondere Stärke einer modernen demokratischen Ordnung liegt darin, daß sie so viele Interessen in sich vereinen kann. Gewiß haben das zahlenmäßige Anwachsen und Konzentration der Interessen im politischen Bereich zu einer Überlastung, Aufsplitterung und oft auch zu politischen Pattsituationen geführt. Dennoch kann man Natur und Charakter unterschiedlicher Gruppeninteressen nicht negieren, denn so ist der Charakter der heutigen demokratischen Ordnung.“(Bell, ebd. S. 296) Zweifel kommen allerdings angesichts der -Daniel Bells- Versicherung, wonach „Einzelfragen“ es nicht vermöchten, das -demokratische- System zu „polarisieren“(Bell).

Daß in Wahlkampfphasen zumal solche „Einzelfragen“ wie etwa die -Form- der „Unterstützung“ der Ukraine zu programmatischen und selektiven Kernthemen der -Foucault- „Wahlmöglichkeiten“(Foucault, Archäologie, S. 205) hoch stilisiert werden, die das „diskursive Feld“(Foucault) nicht nur bestimmen, sondern spalten, ist -unmittelbar- einsichtig.

Dazu bedarf es einer -terminologischen- Anmerkung, daß nämlich die (sog.) „Einsichtigmachung“(M. Foucault) längst zum Instrumentarium einer „rationalisierenden“ Regierungspraxis und ihrer -regulativen- „Techniken“ gehört und so eine „genuine“ Einsicht wie sie etwa in der („Calvinistischen“) Prädestinationslehre oder -Cartesianischen- „Evidenz“-Wahrheit konzipiert war, überlagert hat.

Auch der juristische „Formalismus“ hat seinen „apodiktischen“ Stellenwert verloren, seitdem der (sog.) „Rechtspositivismus“ nicht länger auf ein -göttliches- Gesetz als „transzendentale“ Quelle seiner Autorität verweisen kann und seine -strenge- Erkenntnis durch u.a. statistische „Wahrscheinlichkeits-“Aussagen (Bloch, S. 157) abgelöst wurde.

Wenn „religiöse“, „transzendentale“ oder -Bell:- „außeralltägliche“(Bell, S. 203) Instanzen und Sinnquellen entfallen, in denen, wie Daniel Bell an anderer Stelle bemerkt hat, „existentielle Fragen“(ebd.) verwurzelt sind, sind -moderne- Systeme wie in Politik und Wirtschaft auf „Selbstbeschreibungen“(N. Luhmann. Die Wirtschaft)7 angewiesen.

In der Wirtschaft kommt dabei, anders(?) als in der Politik, ein weiterer Faktor ins Spiel: die -technikbasierte- „Selbstproduktion“(ebd.), die ihrerseits auf -manipulierte- „Knappheit“(ebd. S. 35) von „Ressourcen“ und damit -zirkulär- verbundener „basale(r) Instabilität“(ebd.) basiert.

Das Manko dieser -immanenten- „Selbstbeschreibung“ der Wirtschaft, auch wenn diese etwa -eindeutige- „Zahlen“(ebd.) zur Orientierung offeriert, besteht, laut Niklas Luhmanns Auskunft in „Die Wirtschaft der Gesellschaft“ nicht zuletzt darin, daß sie nur unzureichende Informationen über die -externe- (System-)“Umwelt“(ebd. S. 34) liefert.

Umgekehrt würde die Wirtschaft anhand von Instabilitäten und „Fluktuationen“(Luhmann, ebd. S. 37) zur Informationsquelle einer -darauf reagierenden- Politik und ihres Sensoriums für „politikökonomische Fragen“(ebd.), die als „politisch relevant“(ebd.) geltend gemacht werden und u.a. für gesellschaftsinterne -strukturale, politische- „Differenzen“(ebd. S. 36) sorgen können.

Die „Gesamtkonstellation“(Luhmann, ebd.), aus der -immanente- „Gefahren“(ebd.) entstehen wie -beispielsweise- in Form eines durch -negative- „Wirtschaftsentwicklungen“(ebd.) ausgelösten „politische(n) Wechsel(s)“(ebd.), steht allerdings nicht allein, wie Luhmann seinerseits betont, im Zeichen politökonomischer Fragestellungen und daraus eruierender (Selbst-)Interpretationen, Oppositionen und „Disharmonien“.

Aufgrund der Vielfalt der (Sub-)Systeme summieren und muiltiplizieren sich diese zu einer -intern- konnexiven Vielfalt an konfliktträchtigen, externalisierbaren -Luhmann- „Zwischensystembeziehungen“(ebd.), die z.B. „egalitäre Zielsetzungen“(ebd. S. 37) mit klassen- oder berufsspezifischen Strukturformen (Gruppen, Ausbildungen) in einen Konflikt bringen.

Während die Wirtschaft trotzdem dazu tendiert, sich als „geschlossenes“ System zu definieren und sich zusätzliche „Immunität“(H. Marcuse, S. 11) mithilfe einer -produktiven- „Technologie“(ebd.) verschafft, versucht die Politik, den -D. Bell- „Durkheimschen Zirkel“(Bell, S. 202)- zu durchbrechen, indem sie sich auf den „Solidarität“ verbürgenden -Begriff- der „Weltgesellschaft“(Luhmann, Die Politik, S. 220) umstellt und dazu „Aktionspläne“(ebd. S. 401) entwickelt, indessen sie sich gleichzeitig auf -destabilisierende- „Fluktuationen“(ebd. S. 429) sowohl wirtschaftlicher als auch politischer „Natur“ umgründet (Luhmann).

Hierin liegt eine gewisse Erneuerung der „Pascalschen“ Lage mit modernem Paradigma.

Die -menschliche- Gesamtsituation, die dieser ganzen -konstellativen- „Problemsituation“(J. Dewey)8 nach Auffassung des Pragmatisten John Dewey („Erfahrung und Natur.“) als Komplexität zugrundeliegt, fällt, Dewey zufolge, jedoch in die -externe- „Natur“(ebd.), die sich dem Menschen -mehr oder weniger- solidarisch erweist:

„Es ist“, gibt Dewey zum besten, „genau die eigentümliche Mischung von Unterstützung und Behinderung des Menschen durch die Natur, die die [alltägliche] Erfahrung ausmacht.“(J. Dewey. Erfahrung und Natur.S. 393) E.B.