Elena Becker MA

Wahrheits-Frage oder: der besonnene Umgang

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Nach einer kontrovers verlaufenen Debatte im Bundestag wurde der Antrag der CDU- Regierungsopposition, die Ukraine mit (sog.) „Taurus“- Waffensystemen zu beliefern, mit großer(!) Mehrheit abgelehnt.

Die Parlamentarier schlossen sich damit der vorhergehenden Entscheidung von Bundeskanzler O. Scholz (SPD) an. Scholz machte geltend, daß die Taurus-Technologie zu weitreichend sei.

Der Regierungssprecher wertete diese Entscheidung als -Zeichen- der Besonnenheit.

Als Reaktion auf den Nato-Beitritt Finnlands hatte Rußland zuvor an der russisch-finnischen Grenze Truppen positioniert.

Zugleich hob der russische Präsident Putin in einer Aussage die Funktionsfähigkeit der -modernisierten- Atomwaffen Rußlands hervor.

In den USA spitzt sich die Vorwahlphase auf eine Entscheidung zwischen Ex-Präsident D. Trump (Republikaner) und dem amtierenden Präsidenten Joe Biden zu.

Unter dem -Th.W. Adornos- „weisen“ Leitspruch „Bangemachen gilt nicht“1 läßt sich im Zeichen der Bedrohung durch potentiell vernichtende Technologie und den Wiedereintritt des „Kalten Krieges“ kaum noch „kontrovers“(ebd.) abhandeln, was -eindeutig- objektiv „wahr“ ist.

Bedenkenlos kann nicht -“subjektiv“- bedacht werden, was sich im diskursiven -alltäglichen- „Umgang mit Menschen“(ebd.) konkret dazu eignet, zu „terrorisieren“(ebd.).

Zutreffend und den -Kern- einer neben der Technologie von sprachlichem „Positivismus“ beherrschten „diskursiven“ Realität betreffend, ist aber Adornos Feststellung, daß sich -nach dem (sog.) „linguistic turn“-, Adorno: die Begriffe des Subjektiven und Objektiven ... völlig verkehrt [haben]“. (Th. W. Adorno. Minimal Moralia. S.77)

Die -sprachliche- (sog.) „Objektivität“ ist seither durch eine quasi ökonomische „Zirkulations-“ und „Tauschfähigkeit“(M. Foucault. Archäologie)2 determiniert, die sich nicht durch den -“Wert“(ebd.)- der „Wahrheit“(ebd.) bemißt, sondern einen „Platz“(ebd.)- Position- im „diskursiven Aussagenfeld“(ebd. S. 174) bezieht und damit in „Austausch“ tritt.

Damit aber „hört der Diskurs auf“(ebd. S.175), nach Foucaults Worten, das Reservoir unerschöpflicher -subjektiver- „Interpretation“(ebd.) zu sein und produziert sich als quasi „objektives“- (sog.) „Gut“(ebd.), das seine -Foucault-

„Erscheinungsregeln, (aber auch) seine Aneignungs- und Anwendungsbedingungen hat. Ein Gut(sic), das infolgedessen mit seiner Existenz (und nicht nur mit seinen `praktischen Anwendungen´) die Frage nach der Macht stellt. Ein Gut, das von Natur aus der Gegenstand eines Kampfes(sic) und eines politischen Kampfes ist.“(M. Foucault. Archäologie des Wissens. S. 175)

Der -politischen- Machtfrage fehlt aber charakteristisch die -Heideggers- Versicherung des -interpretativen- „Ausgewogenen“(M. Heidegger), das M. Heidegger in seiner Schrift „Zur Seinsfrage“ zur Regel eines -immer „strengeren“(ebd. S. 43)- „Spiels“(ebd.) von „Mehrdeutigkeit(en.)“(ebd.) designierte.

In seiner Schrift „Zur Seinsfrage“, in der Heidegger ein „Antwortschreiben“ zu Ernst Jüngers „Der Arbeiter“ und „Die Frage nach der Technik“ verfaßte, setzte sich Heidegger mit dem -Wesen- des „Nihilismus“ auseinander, der nach Auffassung Heideggers zu den verschiedensten symptomatischen „Flucht“-Reaktionen (ebd. S.12) Anlaß bot.

„Am besten zeugen dafür“, schreibt Heidegger in „Zur Seinsfrage“,

„die ausschließlich re-aktiven Versuche gegen den Nihilismus, die statt auf eine Auseinandersetzung mit seinem Wesen sich einzulassen, die Restauration des Bisherigen betreiben. Sie suchen die Rettung in der Flucht, nämlich in der Flucht vor dem Einblick in die Fragwürdigkeit der metaphysischen Position des Menschen. Dieselbe Flucht drängt auch dort, wo man dem Anschein nach alle Metaphysik aufgibt ... . Der hier vorbrechende Wille(!) zum Wissen und dessen lenkbarer Gesamtorganisation deutet auf eine Steigerung des Willens zur Macht, die anderer Art ist als jene, die Nietzsche als aktiven Nihilismus kennzeichnete.“(M. Heidegger. Zur Seinsfrage. S. 12)

Dazu zitiert Heidegger aus Ernst Jüngers Schrift „Über die Linie“:

„Die Totale Mobilmachung ist in ein Stadium eingetreten, das an Bedrohlichkeit nach das vergangene übertrifft(!).“(E. Jünger. Über die Linie. S. 36; zit. n. M. Heidegger. Zur Seinsfrage. S. 12)

Die -geänderte- Bedrohung für die Deutschen (sic; ebd.) besteht für Jünger gemäß Jüngers „Lagebeurteilung“3 in „Über die Linie“ darin, daß diese nicht als „Subjekt“, sondern als ihr „Objekt begriffen“(Heidegger,ebd.) würden.

In der „Sprache“(ebd. S. 14) des -Heidegger- (sog.) „Polemos“(gr; S. 44) glaubt Heidegger wiederum, das -Heidegger- „Geheiß(sic) zur Besinnung auf das Wesen einer planetarischen Herrschaft(sic)“(ebd.) zu vernehmen, das für Heidegger damit nicht nur eine „Überwindung“(ebd.) der „Metaphysik“(ebd.) -und des „Nihilismus“- einläuten soll.

Der Weg zu solchem nicht länger metaphysischen, sondern „planetarischen Denken“(ebd. S. 44) verläuft für Heidegger aber -ausdrücklich- nicht über „großaufgemachte Systeme“(Heidegger, S. 45) jedweder -politischen, theoretischen- Form.

Der Ausgangs-(Bruch-)punkt derartiger System-Theorien bis einschließlich zu -Heideggers- „Seinsontologie“ und ihren metaphysischen „Frage-“stellungen liegt in einem, worauf Niklas Luhmann in „Zweckbegriff und Systemrationalität4“ aufmerksam macht:“Bruch... des Wahrheitskosmos“(ebd.), der sich bereits im 19. Jahrhundert vollzogen haben soll.

Der „einheitliche“ Wahrheitskosmos begründete sich auf der aristotelischen bis hin zu G. Leibniz´schen „Vorstellung“ der „Kausalität“.

Deren kausaltheoretische Dekonstruktion insbesondere durch die -moderne- Quantenphysik interpretierte die -Heideggers- Seinsontologie als eine onto-logische Herausforderung, die sich im Sein als „Auseinandersetzung“(Heidegger, S. 44) und gleichzeitig -relationales- „Spiel“ zwischen Sein und dem -wesenszugehörigen- Menschen ereignete.

Vermittels solcher Umdeutung der, Luhmann: “für das ontologische Denken (unserer) philosophischen Tradition unmögliche(n) These“(Luhmann, ebd.) wurde diese vonseiten einer neuen -metaphysischen- Seinsontologie Heideggers inventarisiert.

Gleichzeitig wurde damit, wie Niklas Luhmann in „Zweckbegriff“ erläutert, „die Problematik der Zerstörung verflacht“(Luhmann, ebd.), die in Heideggers „Zur Seinsfrage“ im sprachontologischen „Polemos“ als gleichursprünglich und transzendent-transzendental ausgelegt wird.

Niklas Luhmann:

“(Aber) das ist für das ontologische Denken eine unserer Tradition unmögliche These; sie verflacht die Problematik der Zerstörung, welche die Denker des 19. Jahrhunderts noch in ihrem vollen Ernst erlebten und deshalb mitvollzogen. Denn Kausalerklärung impliziert notwendigerweise, daß durch andere Kausalkonstellationen andere Ergebnisse des Denkens bewirkt würden. Wahres Seiendes kann im Denken der ontologischen Metaphysik nur sein und nicht nicht sein.“(N. Luhmann. Zweckbegriff und Systemrationalität. S. 151)

Auch diese -“moderne- Systemtheorie Luhmanns erweckt den Eindruck, daß zuletzt „Zweckformel“(Luhmann, S. 151) und „(vs.) Bestandsformel“(ebd.) den gleichen polemisch-theoretischen „Kampf“(ebd.) gegeneinander austragen, den, Luhmann:“Kausaltheorien und Ideologien“(ebd.) seit jeher gegeneinander ausfechten.

„Die Veränderung der Fronten und Problemstellungen“, ist, so Luhmann, lediglich „ durch den Fortschritt der Sozialwissenschaften von Faktortheorien bedingt“.(ebd.)

Wie Th. W. Adorno in „Minima Moralia“ darlegte, ist in diesen Konfrontationen von -gegensätzlichen- Anschauungen und Theorien der -Drang- nach purem „Rechthabenwollen“(Adorno, S. 78) am Werk, der von einer -logischen- „Beweisführung“(ebd.) an bis, Adorno:

“in seine subtilste (logische) Reflexionsform hinein,..., Ausdruck (jenes) Geistes von Selbsterhaltung“(ebd.) ist.

Laufen solche -dialektische- Beweisgänge, die ihre -innere- „Richtigkeit“(ebd. S. 79) sowohl an der Methode der „Sophistik“ als auch des „sokratischen“ Fragens schulten, nicht auf die logische „Tautologie“(ebd.) des Seins oder eine -existentielle- „Aporie“ des Daseins hinaus, bestand, worin die Anstrengung der „Sophisten“(Luhmann, ebd.) des 19. Jahrhunderts, namentlich „Marx, Darwin, Nietzsche, Freud“(ebd.) darin, das Ziel- und Zweckdenken sowie -handeln in -Faktoren- „außerhalb“(ebd.) des (sog.) „Erlebnishorizonts des Handelnden“(ebd.) zu verankern.

Die -Aporie- des „Oxymorons“(Th.W.Adorno)5, also des -inneren- Widerspruchs von „Kausalität“ und „Freiheit“, die den I. Kant´schen Transzendentalismus und besonders Kants „moralphilosophische“ Metaphysik innerviert, kann, wenn nicht tautologisch oder „selbstreferentiell“, nur durch die -Kant- „Beziehung“(ebd. S. 226) des „reinen Willens“(ebd.) aufs „Praktische“(!ebd.) überwunden werden.

Allerdings bleiben in Kants „Metaphysik“ die „Zwecke“(ebd. S. 227), in denen sich eine -hypothetische- Zweckrationalität des „Willens“ verobjektiviert, an „Prinzipien“(ebd.) gebunden, die das (sog.) Begehrungsvermögen (Kant) „lenken“(ebd. S. 227).

Der „Wille“ als solcher, den F. Nietzsche in seiner Phrase „Der Wille zur Macht“ hypostasierte und dem (sog.) „Übermenschen“(Nietzsche) attribuiert, beschreibt, so Adorno in „Negative Dialektik“, ein „Niemandsland zwischen Subjekt und Objekt“.(Th.W.Adorno. Negative Dialektik. S. 227)

Die -logische- Aporie tritt ein, wo und wenn der „Wille“, wie es in einem Slogan heißt, „spontan“ handeln -wollen- soll(!), ein Nichthandeln also wie ein Nicht-Gesagtes (Foucault) als „Manko“(Foucault), nicht als -mögliche- Alternative interpretiert wird.

Derart mit einem Manko behaftet und „in sich gebrochen“6 wird -der Wille- in den „Bekenntnissen“ des Augustinus geschildert.

Unter diesem Aspekt erscheint der Wille als -in sich- „dualistisch“ gespalten und bildlich gesehen unterwegs auf einer ziel-losen, odysseeischen „Irrfahrt“(ebd. S. 25) zur „Selbsterkenntnis“(ebd.).

In seinem Beitrag „Das hölzerne Pferd“ kommentiert Hannes Böhringer:

“Die Reflexivität des Willens, daß er wollen muß, damit er will, führt den Willen unweigerlich dazu, sich in der Reflexivität über(!) sich zu erheben, im Wollen innezuhalten und sich zuzuschauen, ob er das Gute(sic) will. Doch indem er sich selbst betrachtet, will er nicht mehr ganz und gar und entdeckt sich so als immer schon korrumpierter(sic) Wille. Der Stolz, die Selbstüberhebung des Willens stürzt den guten Willen in eine ausweglose Lage, die noch einmal gesteigert wird, wenn der gute Wille sich seines stetigen Scheiterns(sic) rühmt(sic).“(H. Böhringer in: Philosophien der neuen Technologie. S. 24)

Die „Maschine“(ebd.), die dem -“weisen“- Orakelspruch oder -philosophischen- Prinzipienweisheit, die dem Menschen zu einer inneren Anleitung und Orientierung verhilft, ist der Nachfolger, der die ausgedienten „Weisheits-Maschinen“(ebd.) nicht nur repliziert, sondern die un-willentliche Bewegung automatisiert und „Das hölzerne Pferd des Willens“(ebd. S. 24) in Gang setzt.

So soll die -technische, „soziale“(G. Deleuze)7- „(Kriegs-)Maschine“(Deleuze) die „Amechanie“(Böhringer, S. 16) des Willens als den -inneren- „Mangel“(ebd.) des Willens beseitigen, um daraus eine neue Aporie -von „Macht“ und „Ohnmacht“- resultieren zu lassen:

“Die Menschen bauen Geräte und Fahrzeuge, um ihren Mangel zu überwinden. Indem sie sich der Kunst bedienen, fesseln sie sich an das hergestellte Zeug. Die Mechanik der Künste reproduziert die Amechanie des Mangels, die sie überwinden sollen. In der Hilflosigkeit klagen die Menschen und rufen so... eine komplexere Kunst hervor, welche die auf Überwindung ausgerichtete Fahrt von der Ohnmacht zur Macht, vom Mangel zur Überfülle, aus der Ellipse die Hyperbel(sic) hinauf als Zustand in eins zusammenfaßt. Diese Kunst öffnet einen Ausweg zur Aporie, indem sie hilft, sich in der Aporie einzurichten, sie als Dauerzustand(sic) auszuhalten.“(H. Böhringer in: ebd. S. 17)

Der (sog.) „deus ex machina“, der ureigentlich der -politischen- „Theatermaschine“(S. 19) entspringt und diese instrumentalisiert, insofern -die Mechanik- dem „Mechanopoet“(ebd. S. 25) zur „Machtsteigerung“(ebd.) dient, verschmilzt mit dieser zur „abstrakte(n) Maschine“(G. Deleuze. Der Faden. S. 119) der Gesellschaft oder zur „anthropologischen Maschine“(G. Agamben)8, die über die -ausgedehnte Zone (Heidegger/ Agamben)- von „Mensch/Tier, /human/inhuman“(Agamben, S. 47) disponiert und die Giorgio Agamben die „extremste Figur des Humanen“(ebd. S. 48) bezeichnet.

Die dazu bestimmten und ausgelegten „anthropologischen“ Gesellschaftsformationen, insbesondere die „moderne“(ebd. S. 47) teilt mit der -ästhetischen- Kunstrichtung des (Post-)Modernismus eine merkmalstypische Eigenschaft: sie unterscheiden zwischen „innen“ und „außen“, Inklusion und Exklusion, „in“ und „out“.

Dem „Modernismus“, den Daniel Bell in „Die Zukunft der westlichen Welt“ als eine „einzige kulturelle Strömung, Stimmung, Bewegung“9 klassifiziert, fehlt gleichzeitig ein „einigendes Prinzip“(ebd.).

Damit erscheint der Modernismus, der im 19. Jahrhundert eine „Parallele“(ebd.) zu den neuen „sozial-wissenschaftlichen“ Erklärungsansätzen von -Bell- „Marx, Freud und Pareto“(ebd. S. 63) darstellt, selbst als ein erratisches Phänomen und, so Bell:“soziologisches Rätsel“(ebd. S. 62).

Einen der Antriebe des Modernismus identifizierte Daniel Bell im -inhaltlichen-

„Insistieren auf absolutem Vorrang des Selbst, des Menschen als `sich selbst in die Unendlichkeit verlängernden´ Wesens, das sich gezwungen sieht, das Jenseitige zu erkunden.“(ebd. S. 63)

Aber der Modernismus bezeugt auch eine „mentale Haltung“(J. Dewey)10 der -inneren- „Angst vor dem Nichts“(Bell, S. 65) und einer, mit John Dewey („Die Suche nach Gewißheit“), passiven „Ohnmacht“(ebd.), in der sich das Individuum als Zuschauer „außerhalb“(Dewey, S. 214) der „Natur“(ebd.) erlebt und empfindet.

In solcher Lage, in der das „Handeln“(Dewey, S. 214) lediglich einen, Dewey:“mechanische(n) Zusatz“(ebd.) zur -theoretischen- Erkenntnis abgibt, das, wie der Pragmatist seinerseits zu bestätigen scheint:“entweder automatisch aus dem Erkennen erfolgen (muß)“(ebd.) oder es irgendeinen „innervierenden `Willens´akt geben (muß)“(ebd.), kann es sich für den Menschen bestenfalls nur darum handeln, Dewey:

“die persönliche Geschicklichkeit bei dem besonnenen Umgang mit den Bedingungen zu steigern. „(J. Dewey. Die Suche nach Gewißheit. S. 214)E.B.