Elena Becker MA

Prädikatsname-Namensprädikat (oder): mein Name ist Hase...

>> „He da du! Sag mir deinen Namen! Bist du einer von den Skiren?“ „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts!“

So oder ähnlich könnte ein -fiktiver- Wortwechsel gelautet haben, der sich zwischen einem „flüchtigen“ Angehörigen der „Skiren“, einem ostgotischen Stamm, der soeben von den -restlichen- Goten unter König Theoderich besiegt wurde und einem in Bayern stationierten gotischen Söldner abgespielt hat.

Die Sprache, in der dieser Dialog stattgefunden hat, könnte ein Mischmasch zwischen Lateinisch und Gotisch gewesen sein, aus dem sich womöglich das inter-polierende Wortspiel mit der, im Lateinischen und dem seinerzeit in Pannonien (Niederösterreich) und Bayern gesprochenen „Gotischen“, doppelten Bedeutung „scire“(lat.) d.h. zu deutsch: „wissen“ und dem Stammesnamen „Skire(n)“ einstellte.

Ob es sich in der Geschichte, in der die Goten in der Rivalität um die römische Herrschaft mit den „abtrünnigen“ Skiren aneinander geraten waren, tatsächlich so zugetragen hat und woher das -landläufige bzw. populäre- Sprichwort i>„Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ stammt, ist mir persönlich nicht bekannt. Was man allerdings weiß, ist, daß sich die mutmaßlich aus der Ostseeregion nach Süden bis ans „Schwarze Meer“ abgewanderten „Goten“ um einen Verbund aus mehreren Stämmen handelte, die sich nicht nur in „West“- und „Ostgoten“ unterschieden, sondern u.a. in die ostgotischen Skiren (Scheyern), die sich um 400 unter ihrem König Edika in Niederösterreich niederließen, bis sie unter dessen Sohn Odoakar, der in den lateinischen Schriften Aventins „Otachi“ heißt, den damaligen römischen Regenten absetzten und Rom eine erste länger dauernde Regierungsphase erlebte, in der es von der neuen Hauptstadt Ravenna aus nicht von einem römischen Herrscher, sondern dem skirischen König Odoakar regiert wurde.

Im Vorfeld dieses „Staatsstreichs“ m.a.W. der Eroberung Roms durch den ehemaligen römischen Söldner , der sich erst nach einigem Zögern den opponierenden Stammesvertretern aus den Reihen der Skiren anschloß, stand der Streit um feste Siedlungsgebiete und ein unerträgliches Hinhalten seitens der Römer.

Rom wurde schon in früheren Zeiten von hunnischen, keltischen und germanischen Rebellen heimgesucht und erobert, bevor die Skiren ihren Feldzug nach Italien unternahmen und Rom besiegten.

In diesem Zusammenhang d.h. dem endgültigen Untergang des „alten“ Roms fallen auch in der Regel andere Namen, wie der des als germanischen „Helden“ gemeinhin verehrten „Arminius“. Nie zuvor gelang es aber einem „barbarischen“ Rebellenkönig, Rom über eine Zeitraum von 16(!) Jahren durchgängig zu besetzen und sich in dieser Zeit u.a. Münzen mit dem eigenen Konterfei prägen zu lassen, die den römischen Kaiser(!) als solchen legitimierten.

Es handelte sich also um alles andere als ein kurzes Intermezzo, das von dem konkurrierenden König der übrigen Goten, Theoderich durch einen ebenso gewaltsamen Staatsstreich beendet wurde, nachdem dieser Theoderich im Auftrag Ostroms den in Ravenna residierenden Odoakar ermordete und seine Nachfolge als weströmischer Kaiser antrat.

Man kann also mit einigem Recht behaupten, daß das römische Reich, in der bis dahin bestandenen Kontinuität, durch den „Interessenpolitiker“ Odoaker sein Ende gefunden hat, der wiederum einem anderen Taktierer, Theoderich, zum Opfer fiel.

Der Zeitraum der „skirischen“ Herrschaft war lang genug, daß sich Skiren nicht, wie man bis vor kurzem noch glaubte, lediglich im Gefolge Odoakars direkt in Italien ansiedelten. Es spricht einiges dafür, daß sich die Skiren weiter im Gebiet der Donau und des Inns, Niederösterreich und Bayern fest gesetzt hatten, bevor der Machtwechsel eintrat und sie de facto ins Visier der Ostrom opportunen Goten unter König Theoderich gerieten, die sie auch im bayerischen Raum verfolgt haben sollen. Dies belegen die Historiker vorwiegend des 19. Jahrhunderts, auf die die neuere Forschung allerdings wieder zurückgreift.

Fraglich ist aber, ob, wie die damaligen Historiker glaubhaft machen wollen, von den Skiren ausgerechnet nur die überlebt hätten, die „diesen Namen“ -Scheyern- tragen, der in dieser z.T. praktisch unveränderten Schreibweise sowohl als Orts- als auch Familiennamen z.B. Schir, Schier, Schürer sowie anderen permutativen Formen wiederkehrt. Dazu kann nicht zuletzt auch ein einfaches Telefonbuch zu Rate gezogen werden.

Genauso finden sich Nachnamen, die nicht von dem Stammesnamen der „Skiren“ , sondern von einem skirischen Vornamen -Odoaker- herrühren könnten und, wie nicht selten der Fall, mit regionalen Ortsgegebenheiten in Verbindung gebracht werden, die scheinbar und eher „volksetymologisch“ beispielsweise den Ortsnamen „Öd“ oder den Personen-Familiennamen „Oeder“ erklären sollen. Geht man aber von der neuesten Forschungslage aus und nicht von Pauschalerklärungen, die z.B. den Ortsnamen „Scheyern“, der sich nach Ernst Schwarz (u.a.) zweifelsohne von den gleichnamigen Scheyern ableitet, von einem partialen Adjektiv des Wortes „schir“ („sumpfig“) herleiten wollen, kommt man eher auf Personnennamen, die sich, meist nach einer historischen Ortsgründung durch einen „homologen“ Namensträger, als Namensgeber erweisen.

Beispielsweise wurde ein Ort namens „Hetzelsdorf“ in Rheinland-Pfalz von (einem) Hezilo („Hetzel“) gestiftet und hängt etymologisch also nicht mit dem althochdeutschen bzw. „gotischen“(!) Wort „hac“ , also „Jagd“ oder „Wald“, „Feld“ zusammen. Zudem ist die so eindeutig erscheinende Wortbedeutung „Hac“, Waldhügel, Feld oder, wie im Wetterphänomen „Hagel“ maßgeblich, d.h. „kleiner Stein“ derart vielfältig bzw. widersprüchlich, daß man sich nur schwer davon überzeugen kann, daß es so etwas wie einen außerhalb der Phantasie von Michael Ende real existierenden „Steinwald“ gegeben haben soll. Im Verlauf der sprachlichen bzw. linguistischen „Evolutions“- geschichte könnten diese verschiedenen Wurzeln, die vermeintlich bei Orts- und Personennamen wie (von) „Hag“/ „Haag“ bzw. Hag-el/ Hatz-el/Hager/ Ha(a)s u.s.f auf die nämliche Etymologie verweisen, ineinander changiert haben und die Redeweise „Henne oder Ei“ unentscheidbar wirken lassen.

Darüber, also über gegensätzliche Wortbedeutungen, die aber auf einen zusammenhängenden Vorgang zurückgehen, gibt nicht zuletzt der Philosoph V. Flusser in „Ding und Undinge“ Auskunft. Bei genauerer Recherche allerdings wird man öfter andere Belege finden, die auf einen gleichnamigen Gründer hindeuten oder, wie es sich anhand des Familiennamens „von Hag“ zeigen läßt, auf einen „ersten“ Namensträger namens „de Haga“ und in der exakten Schreibweise „Haga“ mit dem ostfriesischen(!) und niederländischen, männlichen(!) Vornamen „Haga“ übereinstimmen wie er noch heute gebräuchlich ist.

Dies sollte evtl. genügen, um in der Frage „Henne oder Ei“ dem auf -a lautenden Vornamen eine eindeutige Präferenz zu bescheren, gegenüber dem damit ohne weiteres „korrelierten“ Ortsnamen „Haag“ (a. Inn), wofür der Ortschroniker R. Münch> plädiert.

Bei frühen Adelsfamilien war es die Regel, daß den Vornamen die eigentliche oder maßgebliche Bedeutung gegenüber den erst spät „eingebürgerten“ Nachnamen zufiel. Bestimmte Vornamen wie etwa Aribo wurden nur von Angehörigen der Adelsdynastie der „Aribonen“, den ersten bayerischen Herzögen, getragen oder von -adligen- Personen, die sich dieser Herrscherfamilie in ihren (sog.) „Regesten“ zuordnen durften. Historiker bezeichnen diese Vornamen auch als (sog.) „Leitnamen“. Als einen solchen Leitnamen dürfen wir evtl. auch den Namen „Otaker“ (Odoaker) auffassen, der offenbar einen prädikativen Stellenwert in der Namensreihe der in Ostbayern um (ca.) 800 als „begüterte Brüder“ auftretenden „Otachen“ erhält. Die „Otachen“ gelten in den historischen Quellen (u.a.) des „Historischen Atlas Altbayerns“(HAB) als eine frühe, mit den bayerischen „Huosi“ assoziierte Adels- und Gründerfamilie, die jedoch durch kein besonderes „Attribut oder Prädikat“ gekennzeichnet seien.

Dies läßt aber die Vermutung zu, daß die Beifügung des Namens „Otaker“ bei den danach benannten „Otachen“, aus denen möglicherweise die (sog.) „Brüder von Hag“ und -daraus- später u.a. bambergische Ministerialen1 hervorgingen wie ebenso aus der weitläufigen Familie „von Hag“ (nach R. Münch und R. Dattenböck), eine solche prädikative Funktion besitzt, zumal dieser „Otaker“ mit (lateinisch) „sive“ angeführt wird, was wiederum die „disjunktive“ Konjunktion „oder“ bzw. den Namen „O(e)der“ mitschwingen läßt. Wir finden eine solche Beifügung außerdem noch bei den im Raum Geisenfeld (Lkrs. Pfaffenhofen/ Ilm) und entlang des von dort bis ins Inntal verlaufenden „Mettenbach“ besitzmächtigen Familienangehörigen des damaligen Markgrafen von Kärnten, Albero (von Ebersbach/ de Eppendorf) in einer urkundlichen Textquelle, anstelle(!) dessen zuvor mit dem Vornamen Ernst genannten Bruders.

Im am Oberlauf des Mettenbach liegenden, gleichnamigen (Ober-)Mettenbach bei Geisenfeld, das seit einer auf den „König“ Heinrich II. zurückgehenden Schenkung dem neu gegründeten Bistum Bamberg zuerkannt wurde, könnten -in der unmittelbaren Ortsnähe(!) zu Fahlenbach, Angehörige oder Nachfahren der Familie der (sog.) Letzteres entspricht den Gepflogenheiten, wonach auf derartigen „Burgställen“, die in früheren Zeiten aus Holz gebaut und demzufolge nicht sehr haltbar waren, wie in (Unter-)Pfaffenhofen bei München Ministerialen vermutet werden.

Aus der, allerdings nicht vollzähligen Anzahl von Familienangehörigen, die R. Münch in einem „Stammbaum“ der Familie „von Hag“ zusammengetragen hat, käme dafür evtl. ein Namensvertreter in Frage, namens „Aribo II. de Haga“ der seinerzeit , genauer 1115- 1147 in „Moosach“ bei München lokalisiert war (lebte). Ebenso wäre es möglich, daß einer aus dieser -u.a. bambergischen- Ministerialenfamilie, die nach Hundt vorwiegend „um Bad Aibling“ im Inngebiet nachweisbar ist, an diesem zu Bamberg gehörigen Ausläufer amtierte, an dem sich im Jahr 1760 ein Eintrag auf den Namen meines (Urur-)Großvaters (mütterlicherseits) „Hagl“ findet.

Das Datum 1760, das keine Rückschlüsse auf eine dortige Vorgeschichte ziehen läßt, stellt eine -sehr lose- Kontinuität zu den -exakt- 200 bzw. 500 Jahre zurückliegenden, in Scheyern festgestellten (Namens-)Einträgen, 1260 (Albert von Hag) und ebendort(!) 1560 (Vitus Hagl) bzw. Veit Hager von Allentsteig (Niederösterreich) her, der , R. Münch zufolge, eindeutig der Familie „von Hag“ zuzuordnen ist.

Die „dynastischen“ Verbindungen zwischen den „von Hag“, die man, um das Ei des Kolumbus ein für allemal hinzustellen, mit den „(V)agana“ resp. „(F)agana“ und damit den -agilolfischen- „Huosi“ oder endlich den -bayerischen bzw. gotischen- „Scheyern“ identifizieren kann, und dem Ortsnamen „Scheyern“ sind somit schon augenfällig.

Außerdem lassen sie sich über Hundts(!) „Bairischer Geschichte“ erhärten. Nach Hundt erhellt über die aus dem Haus der Scheyern stammende(!) Gräfin Haziga(!) von „Diessen“, mit der die maternale Linie der „Grafen von Scheyern“ ihren Anfang nimmt, die wahrscheinlichste Annahme in dieser Herkunft aus der dortige, um Bad Aibling lebenden „Familie am Inn“, wie Hundt zu den „Vagana“ erläutert.2 „Der Gleichlaut von Namen läßt“, erklärt Hundt dabei erfahrungsgemäß „auf Verwandtschaftsverhältnisse schließen.“(ebd. S. 31)

Wie weitläufig und lückenhaft diese Familienverhältnisse auch erscheinen mögen, die sich durchaus in den „unteren“ Abstufungen der -potentiell freien- Adligen, namentlich den Barschalken, Königsleuten und Ministerialen fortsetzen und verzweigen, ist kein Gegenbeweis, wenn man die zeitliche Ausdehnung und Verbreitung seit dem Jahr 400 und früher in Betracht zieht. Ihr übriges leisten lautsprachliche (phonetische) Veränderungen, Eigenheiten des bayerischen Dialekts („Diminutiva“) oder der in der „barocken“ Schreibweise übliche senkrechte Schlußstrich, der einen in Österreich lebenden Konrad „der Rech“ von Hag (auf Luftenberg) in der -davon ausgehenden?- Lesart seither zu einem „Hagl“(?) werden läßt.

Ein weiterer Grund, weshalb einzelne Namensträger nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind oder -komplett- entfallen, könnte in mehrfachen (sog.) „Interpolationen“ liegen, die durch gleichnamige Personen entstehen, von denen, ähnlich dem Effekt, den man in der phänomenalen Logik „Zitatilgungsschema“ nennt, einer oder beide ausfallen.

In Bezug auf „Albert von Hag“, der seit 1260 in Scheyern als Ministerialer eingesetzt wird und in den „Monumenta Boica“ urkundlich bestätigt wird, ergibt sich das Problem, daß offenbar mehrere „Albert“ (Adalbert) in der regionalen Geschichte Spuren hinterlassen haben, wie (u.a.) ein Bischof „Albert (Adalbert) von Freising(?)“, der aus einem nicht ersichtlichen Grund 1164(?) zusammen mit der Schenkung eines „Gutes zu Hag“ der Grafen von Scheyern zitiert wird. Dieser habe, näher gesagt, zuerst -wie ein gewisser Magister Heinrich- eine Entschädigung erhalten, dann jedoch 100(!) Bauernhöfe wieder abtreten müssen. 3Nicht zuletzt wirft ein bzw. der Markgraf „Albero“ eine, wie man es ebenfalls ausdrücken könnte, längere „Schattengeschichte“.

Was Odoaker anbetrifft, der in der historischen Forschung ein ebensolches Schattendasein führt, hat R.H. Immelmann eine derartige, allerdings literarische „Interpolation“ in der altenglischen (sog.) „Odoaker-Dichtung“ nachgewiesen, aus der er infolgedessen selbst ausschied und nur Theoderich übrig blieb: „Als Gegner kannte der Dichter noch nicht Ermanerich, sondern noch Odoaker, falls Strophe IV ihn in ihrer ursprünglichen Gestalt erwähnte. Daß sie dies wirklich tat, scheint eine eine erlaubte, ja furchtbare(!) Vermutung [zu zu lassen]... : das vorausgesetzte Nebeneinander von Theoderich und Odoaker [wirkt] anstößig und (mußte) gerade deshalb Anlaß zu seiner Interpolation sein. Er strich also in IV weg, was seiner Sagenkenntnis widersprach.“ (aus: Zeugnisse zur altenglischen Odoaker-Dichtung. 2013. S. 21)

Elena Hagl- Becker

(1)Namentlich als solcher bekannt ist ein gewisser „Pilgrim von Hag“, der 1183 als „Zeuge“ für den Bischof von Bamberg auftritt, aber nach R. Münch („De Haga. Die älteste Dynastie auf der Burg Haag“ Reihe Hagaensis. Band IV. 2013“, a.a.O. ) nicht der einzige „von Hag“ gewesen ist, der als Bamberger Ministerialer tätig und dokumentiert war.
(2)Vgl. Hundt. Barirische Geschichte. S. 31